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Nahaufnahme einer Patientin, die auf einem Operationstisch liegt. An ihrem rechten Arm sind eine Infusion und ein Pulsoximeter-Clip angebracht, während eine medizinische Fachkraft in blauen Handschuhen im Hintergrund arbeitet.
Die Ausbreitung antibiotikaresistenter Krankheitserreger in Kliniken stellt die Medizin vor große Herausforderungen. Foto von Olga Kononenko auf Unsplash

 Antibiotikaresistente Erreger stellen Kliniken zunehmend vor große Herausforderungen. In der neuen Folge des Podcast „Mikroben im Visier“ erklärt der Immunologe Professor Jan Buer vom Universitätsklinikum Essen, wie Krankenhäuser mit Screening, strengen Hygienemaßnahmen und Künstlicher Intelligenz (KI) auf die wachsende Bedrohung reagieren. Und er appelliert an die Politik, mehr in die Infektionsforschung zu investieren. 

 Antibiotika haben bakterielle Infektionen jahrzehntelang beherrschbar gemacht. Doch immer mehr Krankheitserreger entwickeln Resistenzen, das heißt, sie werden unempfindlich gegenüber gängigen Medikamenten. Besonders deutlich zeigen sich die Folgen in Krankenhäusern: Infektionen mit multiresistenten Erregern verzögern Heilungsprozesse, verlängern Krankenhausaufenthalte und können lebensbedrohlich sein.

Die Situation in der Klinik steht im Fokus der neuen Folge von „Mikroben im Visier“, dem Podcast des Forschungsverbunds Leibniz INFECTIONS. Zu Gast ist diesmal Professor Jan Buer, der am Universitätsklinikum Essen das Institut für medizinische Mikrobiologie leitet und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Leibniz INFECTIONS ist. Er macht klar: „Es ist mittlerweile nichts Besonderes, dass wir Antibiotika-Resistenzen in unseren Patienten nachweisen. Das ist unser tägliches ´Brot‘.“ Problematisch ist das vor allem für schwerkranke Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, oder solche, die etwa wegen einer Organtransplantation Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken Da das Universitätsklinikum Essen zu den führenden Transplantationszentren in Deutschland zählt, gibt es dort viele stark immungeschwächte Patientinnen und Patienten, die besonders vor resistenten Krankheitserregern geschützt werden müssen.

Screening, Hygiene und künstliche Intelligenz

Ein zentrales Instrument zur Eindämmung ist das systematische Screening. „Das heißt, jeder Patient, der bei uns stationär aufgenommen wird, wird gescreent auf solche Resistenzen.“ Ziel ist es, eine Ausbreitung innerhalb des Krankenhauses frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. „Einen Erreger, den wir zum Beispiel screenen, ist der multiresistente Staphylococcus aureus. Das macht aber auch viel Arbeit. Wir führen ungefähr 300.000 Untersuchungen durch bei uns am Institut“, sagt Buer. Neben resistenten Varianten von Staphylococcus aureus (S. aureus) bereiten auch gramnegative Bakterien wie Acinetobacter-Arten oder Darmbakterien wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae große Sorgen. Und auch Pilzinfektionen gewinnen an Bedeutung, insbesondere bei immungeschwächten Patienten. „Wenn da Resistenzen entstehen, dann ist das meistens auch immer sehr letal (tödlich) für den Patienten.“

Hygiene bleibt eine der mächtigsten Waffen gegen die Ausbreitung von Krankheitserregern: Händewaschen, Desinfektion, Isolierung von Risikopatienten – das sind einfache, aber oft entscheidende Maßnahmen. Die konsequente Umsetzung – etwa der Händedesinfektion von Personal oder Besuchern – ist eine ständige Herausforderung.

Neben klassischen Hygienemaßnahmen gewinnt der Einsatz digitaler Technologien an Bedeutung. Am Universitätsklinikum Essen werden KI-basierte Anwendungen genutzt, um große Mengen klinischer Daten auszuwerten. Diese Systeme unterstützen Ärztinnen und Ärzte dabei, das Auftreten bestimmter Erreger schneller zu erkennen und Antibiotikatherapien gezielter auszuwählen. Die Entscheidung bleibt dabei ausdrücklich in ärztlicher Verantwortung, eingebettet in interdisziplinäre Antibiotika-Beratungsteams.

Forschung zu Antibiotika-Alternativen

Langfristig reicht Prävention allein jedoch nicht aus. Reserveantibiotika – Medikamente, die nur eingesetzt werden, wenn kaum noch Alternativen bestehen – sind begrenzt verfügbar, und auch gegen sie entwickeln Bakterien Resistenzen. Daher rücken neue Therapieansätze in den Fokus der Forschung. Dazu zählen Phagen, also Viren, die gezielt Bakterien angreifen, sowie Strategien, die das Immunsystem stärken. Ebenfalls eine Option bietet die Untersuchung des Mikrobioms (der gesamten Bakteriengemeinschaft) im Körper. Die Hoffnung ist, dabei Substanzen zu identifizieren, die gegen Infektionen wirken.

Im internationalen Vergleich ist Deutschland laut Buer „gar nicht ganz so schlecht, wie man immer so denkt“, vor allem durch klare gesetzliche Vorgaben und Hygienestrukturen. Doch das allein reiche nicht. „Wir müssen mehr in die Infektionsforschung investieren. Wir brauchen ganz neue Therapieansätze bei solchen schweren Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel bei der Sepsis.“ Antibiotikaentwicklung ist wirtschaftlich wenig attraktiv, für die öffentliche Gesundheit jedoch unverzichtbar. Forschungsverbünde wie Leibniz INFECTIONS sollen hier Wissenschaft, Klinik und Politik zusammenbringen.

Der Podcast „Mikroben im Visier. Infektionen verstehen, Resistenzen besiegen!“ ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar. Hier geht es direkt zur neunten Folge.

https://mikroben-im-visier.podigee.io/9-neue-episode

JanBuerMitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Leibniz INFECTIONS, Prof. Dr. Jan Buer. Der Immunologe leitet das Institut für medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Essen © privat

INFECTIONS Podcast Logo Zeichenfläche 1Der Podcast „Mikroben im Visier. Infektionen verstehen, Resistenzen besiegen!“ ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar. Hier geht es direkt zur neunten Folge.