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Eine Hand hält eine Petrischale mit einer Nährlösung, auf der sich zahlreiche braune Bakterienkolonien gebildet haben.
Foto von Araf Ibne Alam auf Unsplash

Jede sechste bakterielle Infektion spricht nicht mehr auf gängige Antibiotika an – WHO fordert verstärkte Überwachung und verantwortungsvollen Einsatz.

 

Eine aktuelle Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt: Im Jahr 2023 war weltweit jede sechste laborbestätigte bakterielle Infektion resistent gegen gängige Antibiotika. Zwischen 2018 und 2023 nahm die Resistenz bei über 40 % der überwachten Erreger-Antibiotika-Kombinationen zu – mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 5 bis 15 %.

Die Daten stammen aus dem „Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System“ (GLASS), an dem mehr als 100 Länder beteiligt sind. Es zeigt erstmals Resistenzraten gegenüber 22 Antibiotika, die gegen acht häufige bakterielle Krankheitserreger eingesetzt werden. Am höchsten sind die Resistenzraten in den WHO-Regionen Südostasien und östliches Mittelmeer, wo jede dritte Infektion resistent ist. In Afrika ist es jede fünfte. Die WHO betont, dass der Mangel an Diagnosetechniken und Laborinfrastrukturen die Situation verschärft.

Laut WHO stellt die zunehmende Resistenz gegenüber zentralen Antibiotika eine wachsende Gefahr für die globale Gesundheit dar. „Antimikrobielle Resistenzen (AMR) überholen die Fortschritte der modernen Medizin“, mahnt Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. „Wir müssen Antibiotika verantwortungsvoll einsetzen und den Zugang zu geeigneten Medikamenten, geprüfter Diagnostik und Impfstoffen sicherstellen.“

Antibiotikaresistenzen von bis zu 70 % bei bestimmten Erregern

Besonders bedenklich ist die Entwicklung bei sogenannten Gram-negativen Bakterien wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Diese Erreger sind häufig Ursache schwerer Blutstrominfektionen, die zu Sepsis, Organversagen oder Tod führen können. Über 40 % der E. coli- und mehr als 55 % der K. pneumoniae-Stämme weltweit sind gegen sogenannte Cephalosporine der dritten Generation resistent – Antibiotika, die üblicherweise als Erstbehandlung eingesetzt werden. In afrikanischen Ländern liegt die Resistenzrate über 70 %.

Andere Antibiotika wie Carbapeneme und Fluorchinolone verlieren zunehmend ihre Wirksamkeit gegen E. coli, K. pneumoniae, Salmonellen und Acinetobacter. Carbapenem-Resistenzen, die früher selten waren, treten immer häufiger auf, wodurch die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und auf Reserveantibiotika zurückgegriffen werden muss. Diese Medikamente gelten als letzte Behandlungsoption, sind jedoch teuer und in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen oft schwer zugänglich.

Beim Aufbau von Überwachungssystemen gibt es Fortschritte: Das Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System (GLASS) umfasst inzwischen 104 Länder – viermal so viele wie 2016. Doch fast die Hälfte der Länder meldete 2023 keine Daten, und viele verfügen noch nicht über die nötigen Systeme, um zuverlässige Daten zu erheben.

Internationale und fachübergreifende Zusammenarbeit im Sinne von One-Health

Die WHO fordert alle Länder auf, bis 2030 verlässliche Daten zu Antibiotikaresistenzen und zum Einsatz von Antibiotika zu melden und ihre Gesundheitssysteme zu stärken. Antibiotika werde nämlich nicht nur in der Human- und Tiermedizin angewandt, sondern auch in der Landwirtschaft, zum Beispiel um die Produktion zu steigern. Nur durch koordinierte Maßnahmen im Sinne des „One Health“-Ansatzes – über Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt hinweg – sowie unter Einbeziehung verschiedener Bereiche und Wissenschaftsdisziplinen lässt sich die Ausbreitung resistenter Erreger eindämmen.

Diesen Ansatz verfolgt der Forschungsverbund Leibniz INFECTIONS. Um zu verstehen, warum Resistenzen entstehen und wie sie sich verbreiten, müssen Expertinnen und Experten aus vielen Fachrichtungen eng zusammenarbeiten – nicht nur aus der Medizin. Dementsprechend nutzt Leibniz INFECTIONS das Fachwissen von 15 Leibniz-Instituten und weiteren Partnern. Der fachübergreifende Ansatz des Forschungsverbunds kombiniert biologische, soziale, ökonomische und ökologische Perspektiven, um umfassende Lösungen zur Eindämmung antimikrobieller Resistenzen zu entwickeln.

Weiterführende Informationen:

WHO-Pressemitteilung „WHO warns of widespread resistance to common antibiotics worldwide

WHO-Report: Global antibiotic resistance surveillance report 2025

WHO GLASS Dashboard mit interaktiven Daten